Jumat, 11 Februari 2011

ein schmutziger charakter - daniil charms

Senka schlug Fedka eins in die Fresse und versteckte sich unter der Kommode.
Fedka holte Senka mit dem Schürhaken unter der Kommode hervor und riss ihm das rechte Ohr ab.
Senka konnte sich aus Fedkas Händen herauswinden und floh mit dem abgerissenen Ohr in Händen zu den Nachbarn.
Doch Fedka holte Senka ein und gab ihm mit der Zuckerdose eins auf den Kopf.
Senka stürzte und ist anscheinend gestorben.
Da packte Fedka seine Sachen in den Koffer und fuhr nach Vladivostok.
In Vladivostok sattelte Fedka auf Schneider um: eigentlich wurde er gar kein richtiger Schneider, sondern er nähte nur Damenunterwäsche, besonders Schlüpfer und Büstenhalter. Die Damen schämten sich nicht vor Fedka, zogen direkt vor ihm die Röcke herunter und Fedka nahm bei ihnen Maß.
Fedka hat sich, wie man so sagt, an Rundungen sattgesehen.
Fedka ist ein schmutziger Charakter.
Fedka ist der Mörder Senkas.
Fedka ist ein Lüstling.
Fedka ist ein Fresssack, weil er jeden Abend zwölf Koteletts verdrückte. Fedka wuchs solch ein Bauch, dass er sich ein Korsett machte und es zu tragen begann.
Fedka ist ein gewissenloser Mensch: er nahm auf der Straße vorübergehenden Kindern das Geld ab, er stellte alten Männern ein Bein und erschreckte alte Frauen, indem er die Hand gegen sie erhob, doch wenn die erschrockene Alte zur Seite auswich, tat Fedka so, als hätte er die Hand nur erhoben, um sich am Kopf zu kratzen.
Es endete damit, dass Nikolaj an Fedka herantrat, ihm eins in die Fresse schlug und sich unter dem Schrank versteckte.
Fedka holte Nikolaj mit dem Schürhaken unter dem Schrank hervor und zerriss ihm den Mund.
Nikolaj floh mit dem zerrissenen Mund zu den Nachbarn, doch Fedka holte ihn ein und schlug ihn mit einem Bierhumpen. Nikolaj stürzte und starb.
Doch Fedka packte seine Sachen und verschwand aus Vladivostok.
21. November 1937

die verteidigung der männlichkeit


Jeder Mensch besteht aus Teilen,
aus drei Teilen,
aus drei Teilen.
Hey - la - la,
drum - drum - tu - tu!
Jeder Mensch ist dreigeteilt.

Bart und Auge, fünfzehn Hände,
fünfzehn Hände,
fünfzehn Hände.
Hey - la - la,
drum - drum - tu - tu!
fünfzehn Hände und 'ne Rippe.

Nicht der Hände sind's am Ende
fünfzehn Stück,
fünfzehn Stück.
Hey - la - la,
drum - drum - tu - tu!
Fünfzehn Stück und keine Hände.

(1930)

Daniil Charms - 1930

Dritte cysfinite Logik
des unendlichen Nichtseins

Hier und Hort eine Stunde.
Hier war immer nur eine Stunde, aber jetzt nur noch eine halbe.
Nein, eine halbe Stunde war immer, aber jetzt nur noch eine Viertel.
Nein, eine Viertelstunde war immer, aber jetzt nur noch ein Achtelchen.
Nein, alle Teile der Stunde gab's immer, aber jetzt nicht mehr.
Hier ist die Stunde.
Hort ist die Stunde.
Hier war immer nur eine Stunde.
Hier wird immer jetzt eine Stunde sein.
Hier und Hort eine Stunde.

the tempest

Glaube und Hoffnung



Daniil Charms - 1928


Am Dienstag flog über das Wasser
Eine leere Seifenblase,
Die sich still im Wind gebauscht;
In ihr ein Pfeifchen jemand rauchte,
Er schaute auf die Parks und Plätze
Bis Mittwochs schaute er gemächlich,
Doch Mittwochs, Lampe ausgemacht,
Sprach er: Na ja, es lebt die Stadt.

Das Nichtjetzt

Das Nichtjetzt

Das ist Das
Dies ist Dies.
Das ist nicht dies.
Das ist nicht nicht das.
Das Übrige ist entweder das oder nicht das.
Alles ist entweder dies oder nicht dies.
Wenn kein dies und kein das, dann kein das und kein dies.
Wenn dies und das, dann auch sich SELBST.
Wenn sich Selbst, dann kann dies sein, und nicht das, entweder das und nicht dies.
Das wurde zu dies, doch dies wurde zu das. Wir sagen: Gott blies.
Das wurde zu das, doch dies wurde zu dies und wir können nirgendwo herauskommen und nirgendwohin hineingehen.
Das wurde zu das. Wir fragen: Wo? Man sang uns Hier.
Das ging aus dem Hier hervor. Was ist das? Das ist DIES.
Das ist dies.
Dies ist das.
Hier ist das und dies.
Hier wurde zu das, das wurde zu dies, doch dies wurde zu hier.
Wir schauten doch wir sahen nicht.
Doch dort standen das und dies.
Dort ist nicht hier.
Dort ist dies.
Hier ist das.
Doch jetzt sind dort sowohl das als auch dies.
Doch jetzt ist auch hier das und dies.
Wir blasen Trübsal und denken und quälen uns.
Wo ist jetzt das Jetzt?
Jetzt ist hier, und jetzt dort, und jetzt hier, und jetzt hier und dort.
Das sein dies.
Hier sein dort.
Das, dies, hier, dort sein Ich, Wir, Gott.

29. Mai 1930
Daniil Charms

Rabu, 09 Februari 2011

dreaming the night away

und eine zugabe



der anfang der geschichte


das ganze ist natürlich irgendeine art von geschichte, nur wie sie erzählt wird ist jedem überlassen. das größere bild scheint der ausgangspunkt zu sein, aber es gibt abschweifungen; arbeit, posieren, selbstvergessene pausen. in jedem fall habe ich mich entschlossen die bilder zu trennen und mit gedichten zu verfremden. ob das ganze dann trotzdem noch zusammen passt? hauptsache ich entdecke nicht noch mehr photos aus dieser serie und mit diesem perfekten mann....

un reve

das zweite meer
um den sandsee schwimmen küstenspiegel.
die scherbenblätter wurzelloser bäume treiben
im steinfeld, das am ufer in den boden wächst.
der wind drängt leichtes licht durch ihre schatten.
festgeflogen hängen laute möwen in der luft.
die baumruinen zeichnen sich im himmel,
der das land berührt. an ihnen fließt die luft
in strömen. ich höre noch das dröhnen aus den
goldnen trichtern. und seh den spatz am tubarand
für einen augenblick verweilen als sie schwieg.
und jemand leise, leiser deinen namen spricht
als wärs sein echo. die feder liegt im wasserlaub
und zupft mit trocknen spitzen an den augen
wimpern. sie hat sich gerade erst im seegras
netz verfangen. früher hätt ich sie befreit.

 Andreas Altmann
(*1963)

der raum zwischen uns - the space between us

Geben Sie mir Gegengift, schnell. einziger
Punkt reich als Haltepunkt tunkte, Knick ist der Braut
um sie zu verändern was hat dich wohl dazu bewogen?
Ich habe den gleichen Stuhl im Hintergrund.

Mathias Traxler (*1973)

das verlangen nach mehr


poesie und alltag


augustenstraße, digital
atem. keine not im zimmer keine pflanzen keine toten. nur tanz
auf dem tisch schwarzes brot. ganz frisch aus dem ofen. verbrannt
auch spuren von mehl oder motten. karabinerhaken die einrasten
zu lasten des seils. ein kalter hund ohne schwanz rastet aus. im kasten
spielt ein einziger sound im spiegel kein mensch bloß ein paar
megapixel an der leine allein. stark sein im yoga verharren &
starr die arme die beine die scham enthaaren. zurecht gestutzt
das bermudadreieck zwischen mikrofon kopfhörer gegensprechanlage
abschalten. das haus im nacken wieder kehr wochenlang
jene treppen aushalten & dabei allmählich veralten.
Lars-Arvid Brischke(*1972)

vergänglichkeit


die dinge des lebens

Les petits papiers

Laissez parler
Les p'tits papiers
A l'occasion
Papier chiffon
Puissent-ils un soir
Papier buvard
Vous consoler

Laisser brûler
Les p'tits papiers
Papier de riz
Ou d'Arménie
Qu'un soir ils puissent
Papier maïs
Vous réchauffer

Un peu d'amour
Papier velours
Et d'esthétique
Papier musique
C'est du chagrin
Papier dessin
Avant longtemps

Laissez glisser
Papier glacé
Les sentiments
Papier collant
Ça impressionne
Papier carbone
Mais c'est du vent

Machin Machine
Papier machine
Faut pas s'leurrer
Papier doré
Celui qu'y touche
Papier tue-mouches
Est moitié fou

C'est pas brillant
Papier d'argent
C'est pas donné
Papier-monnaie
Ou l'on en meurt
Papier à fleurs
Ou l'on s'en fout

Laissez parler
Les p'tits papiers
A l'occasion
Papier chiffon
Puissent-ils un soir
Papier buvard
Vous consoler

Laisser brûler
Les p'tits papiers
Papier de riz
Ou d'Arménie
Qu'un soir ils puissent
Papier maïs
Vous réchauffer

corpus

Das Hertz ist weit von dem/ was eine Feder schreibt.
Wir dichten im Gedicht/ dass man die Zeit vertreibt.
In uns flamt keine Brunst/ ob schon die Blätter brennen
von liebender Begier. Es ist ein blosses nennen.











Sigmund von Birken (1626-1681)

Anleitung


Anleitung für ein Sommergedicht

Harte Beschreibungsarbeit am Himmelsblau,
das in seine Tagestönungen zerlegt
sein will, überzogen mit weißen Herden
von Wolken, die man festhalten will im Vers,
die aber immer zu schnell vorüberziehn.
Ein Kunststück, wie man die richtige Hitze
hineinbläst, den Text ins Schwitzen bringt.
Wenn die Natur nicht die Vorlage liefert,
nimmt man einen grün angestrichenen Winter,
setzt auf ein berühmtes Zitat.
Unvermeidlich der Geruch nach trockenem Heu,
das ordentlich knistert in der Zeile,
daß man sich hineinwerfen mächte,
auch das prickelnde Wasser der See
muß seine Sommerqualität haben.
Eine Strophe Überbau für den Drang
in den Süden, den ewigen Trieb,
wie er im Norden kultiviert wird:
Das ist der warme Grundton in jedem
Sommergedicht, die klare Dominante. 

Peter Engel (*1940)